Rene Kandler – IT Management Consultant German Division, ONE Agency
Ausgangssituation
Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem jeder Arbeitnehmer seinem Chef einmal beichten muss, dass es Zeit ist für eine neue Herausforderung und er ein Angebot eines anderen Arbeitgebers vorliegen hat. Die Reaktion fällt oft unterschiedlich aus: Während die einen beleidigt sind oder gar ausrasten, machen die anderen dem Arbeitnehmer einfach ein Gegenangebot. Dieses beinhaltet dann oft eine Gehaltserhöhung oder eine baldige Beförderung. Oftmals ist das Gegenangebot verlockend, da Sie sich nicht aus Ihrer Komfortzone begeben müssen. So verlockend das Angebot auch sein mag, in den meisten Fällen bereuen die meisten Arbeitnehmer das Angebot angenommen zu haben und sind nach kurzer Zeit wieder proaktiv auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber.
Motive des aktuellen Chefs für das Gegenangebot
Häufig erhalten die Arbeitnehmer durch das Gegenangebot wieder ein Gefühl der Wertschätzung von ihrem aktuellen Arbeitgeber. Doch dieses Gefühl ist trügerisch, denn in den seltensten Fällen geht es tatsächlich um Sie als Person.
Immer wieder spielen hier die nachfolgenden Motive eine große Rolle:
1. Schlechtes Gewissen des Chefs:
Da Sie bereits ein Angebot eines anderen Arbeitgebers vorliegen haben, steht fest, dass dieser bereits zu Beginn Ihren wahren Wert erkannt hat. Das macht Sie dann natürlich auch häufig deutlich attraktiver für Ihren alten Chef. Darauf folgt oft, dass den aktuellen Vorgesetzten ein schlechtes Gewissen plagt: Er hat offenbar nicht Ihren wahren Wert erkannt und Sie schlichtweg unterschätzt, was nicht gerade für die Person in Bezug auf seine Führungsqualitäten spricht. Erst recht, wenn man ihm dann hinterher anrechnet, dass er wieder ein Talent verloren hat.
2. Hohe Kosten:
Bei einem Gegenangebot werden Sie lediglich als ein Sparfaktor angesehen. Die Ersatzbeschaffung ist natürlich durch hohe Kosten verbunden, die sich nicht nur im monetären widerspiegeln, sondern auch im Faktor Zeit. Stellenbeschreibungen müssen angefertigt, die potenzielle Kandidatenwahl durchgeführt werden und zudem kommt das Risiko einer Fehlbesetzung hinzu.
3. Steigende Fluktuation durch Kündigung:
Durch den Abgang eines Mitarbeiters kann sich dies entscheidend auf die Teamdynamik auswirken und zu einer Lawine an Unannehmlichkeiten innerhalb des Teams führen, die oft verbunden sind mit weiteren Kündigungen oder Krankheitstagen. Was das Unternehmen wiederum ebenfalls Geld kostet.
4. Wissen ist macht:
Möglicherweise ist Ihr Kerngebiet spezialisiert auf einen bestimmten Themenbereich und es gibt wenig Alternativen auf dem Arbeitsmarkt. Als Faustregel gilt somit: Je höher Ihre Qualifikation und spezieller das Fachwissen, umso kritischer für den Arbeitgeber, die Lücke auch tatsächlich schließen zu können. Somit entsteht ein entscheidendes Risiko für das Unternehmen, welches sich auf das komplette Konstrukt auswirken kann.
Deshalb sollten Sie sich bei einem Gegenangebot unbedingt die Frage stellen, ob das Gegenangebot wirklich Ihrer Person gilt oder eben nicht.
Fragen die es zu beantworten gilt
Folgende Fragen sollten Sie sich beim Erhalt eines Gegenangebots unbedingt stellen:
- Welche Vorteile bietet mir das Angebot wirklich? Was ändert sich denn konkret?
- Aus welchen Gründen versucht mein Arbeitgeber mich zu halten?
- Profitiere ich wirklich von dem Angebot oder profitiert davon nur mein Arbeitsgeber?
- Welche Entwicklungspotenziale habe ich tatsächlich noch bei meinem aktuellen Arbeitgeber bzw. welche bei einem neuen Arbeitgeber?
- Wie wird sich meine Positionierung in Zukunft bei meinem aktuellen Arbeitgeber gestalten? Wie beim neuen?
- Was kann mir die neue Stelle bieten, welche mir meine alte nicht bieten kann?
- Warum habe ich mich überhaupt erst entscheiden, meinen derzeitigen Arbeitgeber zu verlassen?
Die Gefahren eines Gegenangebots
Selbstverständlich liegt die Beantwortung auf die Frage, ob Sie das Angebot annehmen oder ablehnen, ganz allein in Ihren Händen. Doch seien Sie gewarnt, dass eine Annahme des Gegenangebots auch Gefahren mit sich bringt:
1. Illoyalität wird offenbart
Natürlich möchte aus oben aufgeführten Gründen Ihr Chef Sie mit allen Mitteln im Unternehmen halten, weil es zum einen, für ihn bequemer ist und zum anderen auch kostengünstiger. Doch hinter der wertschätzenden Absicht, in Form eines Gegenangebots, lauert auch eine deutliche Gefahr für Sie. Durch die Offenlegung Ihrer Wechselabsichten, haben Sie dem Chef nun deutlich aufgeführt, dass Ihre Loyalität nicht mehr ganz so stark ausgeprägt ist. Und solche Dinge vergessen Führungspersönlichkeiten in der Regel nicht. Somit könnte der Fall eintreten, dass Ihnen bewusst künftige Beförderungen verwehrt werden, da der Chef damit rechnet, dass Sie zu jeder Zeit abgeworben werden könnten.
2. Es schadet Beziehungen
Manövrieren Sie sich nun in die Situation des potenziell neuen Arbeitgebers bzw. in die Rolle des Personalberaters, mit dem Sie eventuell zusammengearbeitet haben. Da Sie Ihrer eigentlichen Motivation nicht gerecht geworden sind und viele Parteien enorm viel Zeit für Sie aufgewendet haben, haben Sie grob gesagt Ihr eigenes Wort gebrochen, mit der Annahme des Gegenangebots. Dies geht natürlich zulasten der Beziehungen, welche für die Zukunft sicherlich noch interessant gewesen wären.
3. Anhaltende Unzufriedenheit
Machen Sie sich im Fall eines Gegenangebots noch einmal deutlich, weswegen Sie tatsächlich wechseln wollten. Hier liegen oft ein oder mehrere Gründe vor. Die angebotene Gehaltserhöhung ist meist kurzfristig attraktiv, aber gilt dies auch langfristig? Oftmals ist nämlich die Halbwertszeit bzgl. eines höheren Gehalts sehr gering und man sollte sich zudem hinterfragen, ob es wirklich etwas an der Beziehung zu seinem Chef bzw. seinen Kollegen, an den Entwicklungsoptionen oder der Karrierechancen ändert.
Persönliche Empfehlung
Sind wir mal ehrlich, wieso hat es überhaupt erst so lang gedauert, dass Ihr Chef Ihnen ein neues Angebot gemacht hat? Musste es wirklich erst so weit kommen, dass Sie ein anderes Angebot vorliegen haben, damit Ihr Chef tätig wird?
Daher meine Empfehlung an Sie:
Lassen Sie sich nicht von der Charme-Offensive ihres aktuellen Chefs um den Finger wickeln. Es ist nämlich oftmals anzunehmen, dass das Gegenangebot nur eine kurzfristige Befriedigung ist. Letztlich sollte man aber alle möglichen Umstände mit in Betracht ziehen, um sich für die neue Herausforderung endgültig zu entscheiden.
Deshalb stellen Sie sich immer die Frage:
Warum ist überhaupt erst eine Kündigung notwendig, damit mein jetziger Arbeitgeber mir ein besseres Angebot offeriert?